Eine Fehlfunktion bei einem medizinischen Gerät ist ein klassisches Beispiel für die Bedeutung einer systematischen Herangehensweise an die Fehlersuche bei Netzqualitätsproblemen. Diese Geschichte stammt von Mike, einem selbstständigen Unternehmer, der in mehreren Hightech-Fertigungsanlagen arbeitet.
Das Problem
Mike hatte vor Ort eine Besprechung mit einem Gebäudemanager, der Ärger mit seiner elektrischen Anlage hatte. Nach Aussagen des Managers schien an der Elektrik in seinem Gebäude nichts ordnungsgemäß zu funktionieren und niemand war in der Lage, die Gründe dafür festzustellen oder eine Lösung anzubieten. Außerdem erwähnte der Manager gegenüber Mike, dass drei seiner Elektriker gekündigt hatten und er sich jetzt in echten Schwierigkeiten befand.
Mike stellte einige Fragen, um sich ein genaueres Bild des Problems zu machen, aber die Antworten halfen ihm nicht weiter. Da Mike stets dem Prinzip folgt, im Zweifelsfall bei dem betroffenen Verbraucher zu beginnen, bat Mike darum, im Gebäude dorthin zu gehen, wo die Probleme am größten waren.
Visuelle Hinweise
In einer Ecke stand ein großes medizinisches Gerät, mit dem gerade eine wichtige Prüfprozedur durchgeführt würde. Das Gerät war mit einem großen Bildschirm, einer Tastatur und einem Bedienfeld mit mehreren Kabeln und Schläuchen ausgestattet, die zu anderen Teilen der Anlage führten. Am Bildschirm war zu erkennen, dass gerade eine Prüfprozedur lief.
Neben dem Gerät stand ein Arbeitstisch zur Leiterplattenreparatur. Auf dem Arbeitstisch befanden sich ein Lötkolben, ein beleuchtetes Vergrößerungsglas und ein Lüfter. Das Netzkabel des Arbeitstisches war an derselben Steckdose wie das große medizinische Gerät angeschlossen. Mike beobachtete die Person am Arbeitstisch, die zum Lüfter griff und diesen einschaltete. In diesem Moment verschwand die Anzeige auf dem Bildschirm des medizinischen Geräts kurzzeitig. Danach wurde in großen Buchstaben eine Meldung angezeigt, dass das Programm zurückgesetzt wurde.
Messungen und Bewertung
Mike führte Spannungsmessungen an der Steckdose durch, über die beide Verbraucher mit Strom versorgt wurden. Mit seinem Industriemultimeter Fluke 87 V maß er den Effektivwert der Spannung von 115 V. Der Gebäudemanager wiederholte die Messung mit seinem robusten Digitalmultimeter Fluke 27 II, an dem 118 V angezeigt wurden. Woher kommt der Unterschied?
Das Multimeter Fluke 87 V misst mit dem Echteffektiv-Messverfahren, das bei Rechtecksignalen oder ähnlichen Signalformen exakte, aber niedrigere Messwerte als Multimeter mit Mittelwert-Messverfahren wie beispielsweise das Fluke 27 II liefert. Mike schloss sein Industrie ScopeMeter Fluke 120B an, um die Signalform der Spannung anzuzeigen. Am Oszilloskop war zu erkennen, dass die Signalform oben stark abgeschnitten war, wodurch die Signalform nicht sinusförmig aussah, sondern eher einem Rechtecksignal glich. Der gemessene Spitzenwert betrug lediglich 135 V und nicht wie erwartet 162 V.
Mike zeichnete ein Prinzipschaltbild des Systems. Aus dem Prinzipschaltbild ging hervor, dass der Transformator, von dem der Prüfbereich mit Strom versorgt wurde, am gegenüberliegenden Ende des Gebäudes stand – über 150 m entfernt. Die meisten der an diesem Transformator angeschlossenen Verbraucher waren nichtlineare Lasten, die beim Spitzenwert der Spannung hohe Spitzenströme aufnahmen. Die Kombination aus hohen Spitzenströmen und hoher Impedanz durch die große Entfernung führte zu einer starken Beschneidung des Spannungssignals am Ende des Stromkreises genau an der Stelle, an der sich der Prüfbereich befand.
Theorie und Analyse
Da der elektrische Teil des medizinischen Geräts mit niedrigen Gleichspannungen betrieben wird, verfügt das interne Netzteil über einen Eingangsstromkreis mit Dioden und Kondensatoren, der zum ordnungsgemäßen Betrieb eine bestimmte minimale Spitzenspannung benötigt. Auf dem Typenschild des medizinischen Geräts war für die Versorgung eine Wechselspannung zwischen 100 V und 135 Veff angegeben. Hierbei gingen die Ingenieure, die das medizinische Gerät entwickelt und die Angaben auf dem Typenschild festgelegt haben, von einer sinusförmigen Versorgungsspannung aus, sodass die minimale Spitzenspannung 141 Vss betragen muss (100 V x 1,41). Da der Messwert der Eingangsspitzenspannung lediglich 135 Vss betrug, wurde das Gerät mit einer Spitzenspannung betrieben, deren Wert 6 V unterhalb des erforderlichen Mindestwerts lag. Sobald der Lüfter eingeschaltet wurde, reduzierte der durch den Lüftermotor aufgenommene Einschaltstrom die Spannung auf einen Wert, der außerhalb des Regelbereichs des Netzteils des medizinischen Geräts lag. Dadurch wurde das Gerät zurückgesetzt.
Lösung
Das Problem der Abflachung der Spitzenwerte der Spannungen (Clipping) tritt bei Gebäuden, die mit Hightech-Geräten ausgerüstet sind, häufig auf. Viele der heute genutzten Gebäude wurden nicht unter dem Gesichtspunkt entwickelt, dass dort wie heute üblich viele Computer und nichtlineare Lasten betrieben werden.
In derartigen Fällen wäre eine kostspielige Neuverkabelung notwendig, um den Spannungsabfall zwischen Transformator und Last zu verringern. Eine Alternative würde darin bestehen, dass die empfindlichsten Lasten in die Nähe des Transformators verlagert werden.